In diesen Tagen geistern diverse Forderungen durch die politische Landschaft in Deutschland: Transparenz, Authenzität, Bürgernähe, soziale Gerechtigkeit.
Die Bürger haben oft genug das Gefühl, dass die Politik, ja die Politiker selbst, sich vom tatsächlichen Leben entfremdet haben. “Die in Berlin” leben scheinbar in einer eigenen Welt, die mit dem realen Leben nichts mehr zu tun hat. Schon alleine das “Politikerdeutsch” meint eine Sprache, die sich oftmals nur in leere Phrasen hüllt und sich dem Wähler entfremdet hat.
Gerade die soziale Gerechtigkeit hat sich seit jeher die SPD auf die roten Fahnen geschrieben. Hier ein Wahlplakat der SPD aus dem Jahr 2009:
Weil Wirtschaft Maß und klare Regeln braucht
Source: homopoliticus.de via Geistreich78 on Pinterest
Hält sich die SPD selbst an klare Regeln?
“Liebe Wählerinnen und Wähler: Ab heute wird die FDP liefern”, sagte Philipp Rösler, FDP, einst auf dem Rostocker Bundesparteitag. Wenn die SPD also fordert, dass die Wirtschaft klare Regeln braucht, dann darf man ihr wohl die Gegenfrage stellen, ob sie selbst klare Regeln einhält. Da es in diesem Blog nicht um politische Anschauungen gehen soll, sondern um Social Media und Kommunikation im Internet will ich mich der Kommunikationsstrategie des sozialdemokratischen Spitzenkandidaten Peer Steinbrück zuwenden.
Auch für öffentliche Kommunikation, politische im Speziellen, gibt es Regeln. Vielleicht sind sie nicht schriftlich fixiert, aber es sind doch “ungeschriebene Gesetze” die allgemein anerkannt sind.
Transparenz auch in der Online Kommunikation
So wie Transparenz bei Einkünften, auch von Politikern, gefordert wird. Oder Transparenz von Unternehmen und deren Geldflüssen. So kann man auch Transparenz in der Öffentlichkeitsarbeit eines Kanzlerkandidaten erwarten. Insbesondere wenn Peer Steinbrück schon zu Beginn seiner Ernennung zum Spitzenkandidaten wegen seiner hohen Nebeneinkünfte kritisiert wurde.
So mutet es doch seltsam an, dass der mittlerweile viel zitierte “PeerBlog” von “anonymen Unternehmerpersönlichkeiten” finanziert wird. Wie das Handelsblatt berichtet verteidigen zwar die Macher der Webseite diese Struktur mit den Worten:
„Meine Agentur ist von privaten Unternehmern – nicht Unternehmen – beauftragt worden, eine solche Plattform zu schaffen. Ich stelle diesen Kunden für die Dienstleistung meinen Agenturaufwand in Rechnung. Das ist eine völlig unabhängige Sache, die nichts mit der Partei des Kandidaten zu tun hat“, betont der frühere Focus-Redakteur und Kommunikationsexperte Steinkühler.
Doch unter Transparenz und Unabhängigkeit stellt man sich in Deutschland gemeinhin etwas anderes vor.
Ich persönlich halte es nicht für verwerflich einen Politiker finanziell im Wahlkampf zu unterstützen. Jeder hat das Recht seine politische Meinung und Intention zu vertreten. Nur stellt sich die Frage, warum man dies dann nicht nicht transparent und offenkundig tut. In Amerika scheuen sich regelmäßig Prominente nicht selbst im Wahlkampf für ihre Favoriten einzutreten und ihre Fans für die politische Unterstützung zu motivieren.
Wenn Social Media, dann richtig
Eine andere “klare Regel” ist, dass Social Media nichts anderes ist, als sich in soziale “Netzwerke” zu begeben. Die Vernetzung, Interaktion, Kommunikation mit anderen im sogenannten Mitmachweb zu suchen. Wenn ich diesen Pfad der Pressearbeit einschlage, dann muss ich auch bereit sein, ihn ganz zu gehen.
Wie Klaus Eck, in seinem PR-Blog sehr anschaulich schildert haben sich die Macher des PeerBlog aber eher für eine Isolationsstrategie entschieden.
Stattdessen scheint das Redaktionsteam sich eher in eine virtuelle Wagenburg zurückziehen zu wollen. So heißt es am 4. Februar abends im Blog: “Der PeerBlog ist online und das Netz spielt verrückt. Medien berichten, Blogger analysieren, Twitterer kritisieren. Und warum? Weil wir etwas machen, das es bisher noch nicht gab.” Der Tonfall ist etwas herablassend und wirkt selbstgerecht. Sich auf eine Diskussion einzulassen, auf die Kritik einzugehen, das sieht anders aus.
und an anderer Stelle:
Es erwartet niemand, dass in einem Blog auf alle Kommentare eingegangen wird. Doch wenn auf rund 30 Kommentare gerade eine anonyme Redaktionsantwort kommt, ist das sehr schwach. Dialogorientierung sieht anders aus und lohnt sich.
Konfrontation mit seinen Lesern, keine Interaktion, mangelnde Dialogbereitschaft, anonyme Autoren und mangelnde Verlinkung innerhalb des PeerBlogs entsprechen jedenfalls nicht den klaren Regeln der PR.
Die Agentur Steinkühler schreibt auf ihrer eigenen Seite:
Viele können alles. Wir können (nur) viel. Wir machen das, was wir sehr gut können. Wir entwickeln und setzen ganzheitliche Kommunikationskonzepte […] um; unsere herausragenden Netzwerkpartner stehen für beeindruckende Werbe- und Social-Media-Kampagnen […] Mit unseren Ideen der offenen Kommunikation, mit unseren Erfahrungen, mit unserem dichten Netzwerk in der deutschen Medienlandschaft.
- Wo ist denn die Vernetzung in diesem Projekt zu sehen?
- Wo ist eine offene Kommunikation erkennbar?
- Wo ist ein ganzheitliches Konzept?
Peer Steinbrück noch authentisch?
Vielerorten konnte man lesen und hören, dass Peer Steinbrück gerade wegen seiner Unbeugsamkeit, Unverrückbarkeit, im Grund Authenzität bei vielen Menschen so beliebt ist. Die Menschen sehnen sich nach klaren, kantigen Typen, bietet uns das öffentliche Leben, die A, B und C Prominenz doch viel genug Gleichförmigkeit und Stromlinienförmiges. Die Kinos sind voll mit Filmen von “echten Kerlen”. Bist du “echt”? ist die Frage in vielen Psychologie und Philosophie Magazinen.
Bezieht man sich auf Unternehmen spricht man von Corporate Identity. Ein bestimmtes Image, eine Unternehmenskultur soll kommuniziert und vermittelt werden. Genauso steht eine Person für etwas. Für einen Stil, für Werte, für ein bestimmtes Auftreten.
Peer Steinbrück tut sich mit einem bezahlten Blog, in dem er nicht selbst aktiv ist, aber keinen Gefallen. Ein solches Konzept trägt genau nicht dazu bei, das genannte Image zu fördern. Das PeerBlog ist völlig losgelöst von einer einheitlichen Kommunikationsstrategie. Nicht einmal die SPD, als seine eigene Partei, steht dahinter, verlinkt auf die Seite oder unterstützt das Vorgehen.
Und wie sieht es mit dem Erfolg des PeerBlog aus?
Seit über einer Woche überschlagen sich die Kommentare von Zeitungen, Zeitschriften, Bloggern und PR-Experten. Grundsätzlich sollte man meinen, dass eine hohe Medienpräsenz immer gut für ein Projekt ist. “Es ist in aller Munde”, wie man so schön sagt. Gestern Abend hat sich sogar ein Hacker die Mühe gemacht und das PeerBlog lahm gelegt.
Mit Stand von heute Morgen, 07.00 Uhr hat die Facebook Seite (Update: 07.03.2013: Die Seite wurde mittlerweile gelöscht) zum Blog 435 Follower. Der entsprechende Twitter Account 385 Follower (der Twitter Account wurde mittlerweile gelöscht). Offensichtlich bleibt bisher das große Interesse am PeerBlog selbst und seinen Inhalten aus.
Bezeichnend ist an dieser Stelle der letzte Satz der Macher selbst, auf der About Seite (hier stand bis zur Löschung der Seite der richtige Link):
Deutschland ist am Netz. Deutschland hat auch diese Chance. It´s a long run. Now we start!
Wenn man Social Media auf diese Weise betreibt ist vielleicht ein Anfang gemacht, aber es ist tatsächlich noch ein langer Weg zum Erfolg.
Update: 10:00 Uhr – 07.02.2013
Gerade gab es auf Bild.de folgende Meldung:
Die Bundestagsverwaltung will nun auch noch prüfen, ob es sich bei peerblog.de um eine verdeckte Form der Parteienfinanzierung handelt. Steinbrück: „Ich sehe der Prüfung gelassen entgegen. Das ist rechtlich völlig in Ordnung.“