Bankberatung zu teuer, Immobilien überhitzt, keine Zinsen auf dem Tagesgeld: die Not der Kleinanleger ist groß. Doch wie soll man für das Alter vorsorgen, wenn man von der Rente nur noch wenig erwarten kann? Robo-Advisor wollen eine Lösung sein.
Was unter einem Robo-Advisor zu verstehen ist schreibt Yannick Decaumont, Managing Director des Zahlungsdienstleisters PAYMILL, für FOCUS Online:
Hinter Robo-Advisory verstecken sich keine Roboter im physischen Sinne, vielmehr sind es Algorithmen, wie wir sie beispielsweise aus dem Musikstreaming, der Werbebranche oder der digitalen Partnersuche kennen. Basierend auf vorhandenen Kundendaten, bekannten Szenarien und früheren Entscheidungen ist ein Algorithmus in der Lage, Vorschläge für neue Songs, Freunde oder Produkte zu machen. In der Anlageberatung ist es ähnlich: Auf Grundlage einer Kundenbefragung oder bereits bekannten Daten errechnet ein vollautomatisierter Geldverwalter die bestmöglichen Wege, das Vermögen anzulegen.
Robo-Advisor nur für bestimmte Anleger interessant
Das unabhängige Portal robo-advisor.de kommt bei der deutschen Robo-Advisor-Landschaft zu einem differenzierten Resultat und empfiehlt diese innovative Anlageform nur für Anleger, die sich um gar nichts kümmern möchten.
- Bankberatung ist zu teuer, Fonds haben zu hohe Kosten und schlagen den Markt nicht: die Geldanlage an der Börse für Kleinanleger wird schon seit Jahren von Verbraucherschützern kritisiert
- Neue Fintech-Unternehmen der Gattung “Robo-Advisor” wollen Abhilfe schaffen und auf Basis von Algorithmen das Geld ihrer Kunden intelligent und automatisiert investieren. Weil Maschinen die Arbeit übernehmen und persönliche Beratung entfällt, soll das Kosten sparen und die Rendite steigern
- Test von robo-advisor.de zeigt: ein klassischer ETF-Sparplan bietet zum Teil noch etwas bessere Renditen
“Das Problem der Robo-Advisor: sie berechnen – genau wie die von ihnen kritisierte Zunft – relativ hohe Gebühren, welche die Rendite schmälern”, sagt Niklas Vogt von robo-advisor.de.
Anlageverfahren der Robo-Advisor
Die meisten Robo-Advisor verfahren nach diesem Schema:
- Risikoneigung und Anlagedauer des Anlegers abfragen – in unterschiedlich vielen Abstufungen je nach Anbieter
- Auf Basis der Risikoabfrage ein Portfolio mit verschiedenen ETFs bilden – je stärker die Risikoneigung und je länger der Anlagedauer, desto höher der Anteil an Aktien und desto niedriger der Anteil an Staatsanleihen im Portfolio
- Einkaufen – Vom Investment des Anlegers werden jetzt nach diesem Schema ETFs gekauft. Der Einstieg findet dann statt, wenn der Anleger sich anmeldet – unabhängig von der aktuellen Situation an der Börse
- Einmal jährlich findet ein Rebalancing statt – es wird geprüft, ob die vorher ermittelte Aufteilung der Gelder noch zur Risikobereitschaft des Anlegers passt
Nur einzelne Robo-Advisor mit komplexerer Technologie (z.B. Scalable Capital, Whitebox) schichten das Portfolio nicht einmal jährlich, sondern abhängig von der Marktentwicklung (z.B. abhängig von der Volatilität oder Verlustrisiken) um.
“Für mich macht ein Robo-Advisor nur dann Sinn, wenn er aktiv umschichtet: das kann ein kleiner Privatanleger nämlich nicht leisten”, so Vogt. Der Experte führt weiter aus: “Die meisten Robo-Advisors heutzutage wählen zu Beginn der Anlage einmalig eine Aufteilung des Geldes auf verschiedene ETFs und fassen das Portfolio dann erst nach einem Jahr wieder an. Dann findet das sogenannte Rebalancing statt. Das heißt, der Algorithmus kauft und verkauft ETFs, sodass die ursprüngliche Aufteilung der Gelder auf Aktien, Anlagen und Co. wieder erreicht wird”.
Robo-Advisor leiden unter Gebührenproblem
Niklas Vogt erklärt das Gebührenproblem der Robo-Advisor so: “Um die normalen ETF-Gebühren – pro Jahr meist zwischen 0,07 % für besonders gängige Indizes wie Dax oder S&P 500 und 0,5 % für exotischere Anlagen – kommen auch Robo-Advisor nicht herum. Um selbst etwas zu verdienen und das kostspielige Online-Marketing wieder einzufahren (Klickpreis bei Google-Werbung für das Stichwort “robo-advisor”: 3,57 € pro Klick), muss der Robo-Advisor noch eine eigene Gebühr aufschlagen”.
Diese Gebühr ist für die Dienstleistung eines passiven Robo-Advisors ohne aktive Umschichtungen nach Meinung des Experten zu hoch.
“Ein normales ETF-Portfolio kann jeder Privatanleger selbst zusammenstellen – eine Raketenwissenschaft ist das nicht. Anleger sparen dann ca. 0,5 % Gebühren. Auf 13 Jahre gerechnet macht das bei einem ursprünglichen Anlagebetrag von 10.000 Euro ganze 1.517 Euro mehr Gewinn für Anleger, die selbst Hand anlegen”.
Was ist mit Anbietern wie Scalable Capital oder Whitebox, die aktiv Umschichtungen vornehmen?
Es gibt zwei Arten von Robo-Advisors: aktive und passive.
Die passiven Robo-Advisor schichten das Portfolio nur einmal jährlich zu einem festen Termin um.
Aktive Robo-Advisor hingegen reagieren tagesaktuell auf Markttrends. Hinter der Gebühr steht hier eine deutlich komplexere Dienstleistung. Ob diese Dienstleistung ihren Aufpreis wert ist, das weiß man heute noch nicht – die Robo-Advisor sind zu jung.
Bei Scalable Capital etwa liegen die Gebühren bei 0,75 %. Allerdings sind alle Transaktionskosten in dieser Gebühr enthalten. Diese machen bei einem typischen Online-Discountbroker in der Beispielrechnung etwa 0,15 % des Depotvolumens aus. Ausgegangen wurde von einer Durchschnittsanlage von 20.000.- € beim Discountbroker flatex. Effektiv liegt die Gebühr also bei 0,6 %.
Was unterscheidet die Investmentstrategie bei den aktiven Robo Advisors Scalable Capital und Whitebox voneinander?
Nach Meinung von robo-advisor.de ist der spannendste Unterschied das Verständnis von Risiko bei den beiden Anbietern. Scalable Capital setzt auf das Standardrisikomaß im Finanzsektor: Value at Risk (VaR). Der Value at Risk wird oft in Prozent angegeben. Ein Value at Risk von 5 % bedeutet, dass ein potentielles Wertpapier nicht mehr als 5 % seines ursprünglichen Wertes verlieren sollte. Die Wahrscheinlichkeit, mit der eine solche Wertverlust-Situation eintritt wird mit einem Konfidenzniveau angegeben, z.B. 95 % oder 99 %.
Der Gründer von Scalable Capital Erik Podzuweit sagt in einem Interview mit Robo-Advisor.de: “Bei Scalable Capital bestimmt der Kunde selbst, wieviel Risiko er einsetzen will, und das nicht mit vagen Begriffen wie “konservativ” oder “chancenorientiert”, sondern klar definiert durch den Value at Risk. Ob geringes Risiko (z.B. 5% VaR), mit entsprechend begrenzten Renditemöglichkeiten, oder höheres Risiko (z.B. 20% VaR), mit größerem Renditepotenzial”.
Whitebox benutzt interessanterweise ein anderes Risikomaß: den Conditional Value at Risk (CVaR). Im Gegensatz zum Value at Risk begutachtet der Conditional Value at Risk nicht nur die Ausfallwahrscheinlichkeit, sondern auch die mögliche Höhe der Verluste. Salome Preiswerk von Whitebox erklärt dies wie folgt: “Ökonomisch betrachtet quantifiziert der CVaR den erwarteten Verlust für den Fall, dass der Value at Risk unterschritten wird. Die Risikomessung konzentriert sich folglich auf das linke Ende (Tail) der Renditeverteilung und damit auf extrem ungünstige Marktphasen.”
Zusammengefasst: Scalable Capital schaut auf die Verlustwahrscheinlichkeit während Whitebox auch die mögliche Verlusthöhe im Auge behält. Welches ist nun das bessere bzw. realistischere Modell? Darüber streiten sich Finanzwissenschaftler. Klar ist jedoch eines: Beide Modelle nehmen an, dass die Zukunft so aussieht wie die Vergangenheit – eine nicht ganz realistische Annahme.
Da bei Investition in Aktien und -fonds in der Regel auch die Beratung der Anleger eine wichtige Rolle spielt, habe ich bei Niklas Vogt, Redakteur der Evergreen Verlagsgesellschaft, nachgefragt, wie man sich das bei den Robo-Advisors vorstellen kann. Die verschiedenen Anbieter setzen, mangels Filialen auf Livechats und Online-Beratung. “An der eigentlichen Geldanlage ändert die Beratung aber nichts. Dabei handelt es sich um eine Blackbox.” Eine echte, persönliche Beratung findet gar nicht statt. Um sich hier abzusichern, müssen die Anleger zahlreiche Disclaimer anklicken, in denen Sie die Anbieter von der Haftung freistellen, bzw. eigene Erfahrung und Wissen um das Risiko der Geldanlage bestätigen.
Was empfehlen die Experten von Robo-Advisor.de?
Zuerst muss der Anleger entscheiden, welcher Anlegertyp er ist:
Anlegertyp
- Typ A Ich möchte mein Geld einmal anlegen und mich danach überhaupt nicht mehr damit beschäftigen.
- Typ B Ich habe kein Problem damit, etwas Zeit zu investieren, wenn ich mir im Gegenzug davon eine höhere Rendite versprechen darf.
Für den Anlegertyp A empfiehlt Vogt den Robo-Advisor Scalable Capital trotz der vergleichsweise hohen Gebühren.
Anlegertyp B ist aktuell mit einem ETF-Sparplan besser bedient. Empfehlenswert sind dafür die Tools der Online-Broker flatex und der ETF-Sparplan der Consorsbank. Beide Anbieter bieten eine Vielzahl an ETFs ohne Transaktionsgebühren an.
Hintergrund Robo-Advisor.de
ist ein unabhängiges Portal zum neuen Investment-Trend Robo-Advisor. Dahinter steht der Evergreen Verlag. Er betreibt zahlreiche Informationsportale mit monatlich über 250.000 Lesern.