Zehn Jahre nach ihrer Zulassung haben sich Versandapotheken vom “Enfant terrible” zum etablierten Player entwickelt, sagte Frank Weißenfeldt, Senior Manager von IMS Health beim 7. Kongress des Bundesverbandes Deutscher Versandapotheken (BVDVA) in Berlin.
Der Arzneiversand habe sich in Deutschland fest etabliert und im OTC-Bereich einen stabilen monatlichen Marktanteil von zehn bis dreizehn Prozent. Zu den Top-Sellern im Versand gehören Herz- und Kreislaufmittel, gefolgt von OTC-Arzneimitteln gegen Blasenerkrankungen. Da Versandkunden Marken-affin sind, verzeichnen auch „starke Marken“ steigende Absätze.
Im vergangenen Jahr kauften Patienten rezeptfreie Medikamente für fast 7,4 Milliarden Euro. Hochpreisige Herz- und Kreislaufmittel, die meist durch Dauerverwender erworben werden, haben einen besonders hohen Versandhandelsanteil von 18 Prozent. Die Nachfrage nach Husten- und Erkältungsmitteln ist im Onlineshop mit nur acht Prozent deutlich niedriger. Da sich Versandkunden inzwischen vor der Erkältungssaison bevorraten, ist mit einer Steigerung des Versandgeschäfts in diesem Bereich zu rechnen, schätzt Weißenfeldt.
Im Jahr 2013 verzeichnete IMS ein Umsatzplus in allen Segmenten des gesamtdeutschen Apothekenmarktes. Daher stieg der Umsatz im deutschen Apothekenmarkt – online und offline zusammen betrachtet – um 5,7 Prozent auf ca. 47 Milliarden Euro (ohne Berücksichtigung jeglicher Rabatte wie sie vor allem bei rezeptpflichtigen Arzneien anfallen). Der Umsatz des Versandhandels mit rezeptfreien Arzneimitteln stieg in 2013 um 6,6 Prozent auf 859 Millionen Euro. Wachstum schufen auch Nahrungsergänzungsmittel mit einem Umsatzanstieg um 6,9 Prozent (Vor-Ort- und Versandhandels-Apotheke) auf 289
Millionen Euro.
Kosmetika Umsatztreiber für Versandapotheken
Kosmetikprodukte legten im Versandhandel nach Umsatz um 11 Prozent zu, sodass 2013 in diesem Bereich 162 Millionen Euro erwirtschaftet werden konnten. Getrieben wurde dieser Umsatz durch hochwertige Anti-Aging- und Anti-Pigment-Produkte.
Interview mit Frank Weißenfeldt
Interview mit Frank Weißenfeldt, Senior Manager Supplier Relations Apotheken IMS HEALTH GmbH & Co. OHG anlässlich des 7. BVDVA Kongresses in Berlin.
In Ihrem Vortrag haben Sie Versandapotheken als “Enfant terrible” bezeichnet – was genau meinen Sie damit und welche Bilanz ziehen Sie nach 10 Jahren Arzneimittelversandhandel in Deutschland als Marktforscher und Berater?
Zunächst beinhaltet der Begriff „Enfant terrible“ aus meiner Sicht etwas positives. Es geht ja im Kern darum etwas Neues zu wagen – neue Versorgungsformen auszuprobieren. Einige Modelle sind gescheitert – der Apothekenversandhandel hat sich hingegen in Deutschland fest etabliert. OTC Arzneimittel werden heute selbstverständlich auch online bestellt. Insofern überrascht es wenig, dass der Versandhandelsanteil im OTC Apothekenmarkt bei einem
Marktanteil von 10 bis 13% liegt.
Lassen sich neue Trends ausmachen?
Ein besonders starkes Wachstum zeigen die Kosmetik- und Körperpflegeprodukte.
Getrieben wird dieses Wachstum insbesondere durch hochwertige Anti-Aging und AntiPigment-Produkte. Unsere Beobachtung zeigt, dass diese Produkte – stärker als in der Vergangenheit – auch über Versandapotheken gekauft werden.
Welche Medikamente werden bevorzugt über das Internet bestellt?
Das sind Arzneimittel für Chroniker. Den höchsten Versandhandelsanteil im OTC-Segment haben unter den führenden Kategorien Herz- und Kreislaufmittel mit vielen Dauerverwendern, gefolgt von Mitteln gegen Blasenerkrankungen.
Welche Segmente haben sich aus Versandsicht als besonders umsatzsteigernd erwiesen?
Neben den eben erwähnten werden auch Arzneimittel stark nachgefragt, die im Bereich von Tabuthemen angesiedelt sind, wie Impotenz- und Inkontinenz-Produkte. Grundsätzlich haben „starke Marken“ auch in der Versandhandelsapotheke eine hohe Bedeutung. Versandapothekenkäufer sind in der Regel „Markenkäufer“. Der Beitrag von Akutarzneimitteln wie z.B. Grippe-, Husten- und Erkältungsmitteln zum Umsatz ist jedoch geringer als in den Vor-Ort-Apotheken.
Was kennzeichnet den typischen Versandapothekenkunden? Gibt es hier Veränderungen?
Es überrascht wenig, dass der „typische Versandapothekenkunde“ preissensibler ist als der durchschnittliche Kunde in der Vor-Ort-Apotheke – selbstverständlich ist der Preisvergleich „online“ wesentlich einfacher und komfortabler als „offline“. Aus meiner Sicht stellt sich jedoch die Frage, ob es den „typischen Versandapothekenkunden“ überhaupt gibt? Ich denke, dass es zahlreiche Kunden gibt – die ganz gezielt bestimmte OTC Arzneimittel bei denVersandhandelsapotheken kaufen. Andere Produkte werden weiterhin überproportional oft in der Offizin gekauft. Mit zunehmender Medien-Kompetenz der älteren Generation wird es wohl noch stärker ein hybrides Kaufverhalten der Apothekenkunden geben. In der einen Situation kauft der Kunde preisorientiert – bei einer anderen Gelegenheit erlebnis-, sympathie-, komfort- oder sicherheitsorientiert. Es stellt sich die Frage: Ob die Versandhandelsapotheke – neben dem Preis – weitere emotionale Schlüsselreize der möglichen Käufer erkennt und Lösungen bieten kann.
Werden die Umsätze weiter steigen?
Das Gesundheitsbewusstsein ist grundsätzlich auf einem hohen Niveau und wird wohl weiter steigen. Ich gehe davon aus, dass auch die Zahlungsbereitschaft weiter steigen wird. Wir werden immer älter und die zukünftigen Alten werden selbstverständlich das Internet nutzen. Auch für Online-Bestellungen bei Versandhandapotheken.
Wo sehen Sie den deutschen Versandapothekenmarkt in 2024?
Ich denke, dass die Grenzen zwischen Vor-Ort- und Versandhandelsapotheke mehr und mehr verschwimmen. Wichtig wird sein, dass man neben dem Preis weitere Wettbewerbselemente entwickelt. Einen wichtigen Beitrag könnten zum Beispiel Versandapotheken für die Arzneimittel-Therapietreue der Kunden und Patienten leisten.
Über Frank Weißenfeldt
Frank Weißenfeldt ist Senior Manager bei IMS Health in Frankfurt am Main und blickt auf 20 Jahre Erfahrung in der Beratung, im Projektmanagement, im Marketing und im Einkauf zurück. Seit April 2010 leitet er das Apotheken-Panelmanagement bei IMS Health. Darüber hinaus organisiert er Management Consulting- und Produktentwicklungs-Projekte bei IMS, moderiert IMS Kundenbeiräte, Arbeitsgruppen und Spezial-Foren.
Davor war der Diplom-Betriebswirt und MBA der University of Bradford (Großbritannien) bei DROEGE & COMP. Internationale Unternehmerberatung. Dort hat er u.a. Projekte zur Kostenreduktion, Reorganisation und Vertriebsoptimierung von Pharmaunternehmen durchgeführt.
Letztes Update: 05/28/2014 – 11:27:02