Kein eCommerce Projekt hat in diesem Jahr für so viel Medienecho und Aufmerksamkeit wie der Launch des Projekt Collins und seines Onlineshops About You gesorgt. In einem Interview beantwortet Tarek Müller Fragen zur weiteren Strategie…
Im Sommer 2013 gab Tarek Müller schon einen kurzen Ausblick über die Planungen und seine Beweggründe das Projekt Collins federführend zu übernehmen:
Mittlerweile ist ein gutes Jahr vergangen und ich habe ihn zum aktuellen Stand befragt.
Die Otto-Group und auch Net Impact, das Sie vor Projekt Collins geführt haben, setzen im Gegensatz zu Zalando oder Amazon auf eine Unmenge an Einzelshops. Warum verfolgen Sie hier eine andere Strategie? Jeder einzelne Shop muss ja auch ein eigenes Marketing und Branding betreiben…
Tarek Müller: Das sehen wir genau so.. Unser Fokus in puncto Shop-Marken liegt in der nächsten Zeit auf ABOUT YOU und EDITED. Erstere Marke, ABOUT YOU, zeichnet sich dadurch aus, dass sie durch Apps die Vorteile von Nischen-Shops mit denen eines breiten Sortiments auf einer Plattform verbindet, also persönliche Vielfalt und Inspiration fürs Shopping oder Bummeln liefert. EDITED bildet die vertikale Spitze unseres Öko-Systems ab, mit einer spitz zugeschnittenen Auswahl von Labels und Content. Außerdem starten wir heute den Verkauf unserer Eigenmarke unter dem Label EDITED.
Geboren in einer facettenreichen Stadt wie Berlin und erdacht von einem internationalen Kreativteam, inspiriert und begeistert das EDITED-Label junge, anspruchsvolle Frauen. Head of Design Clarissa Labin vereint in ihren Kollektionen angesagte Silhouetten und bunte Prints, mit hochwertigen Basics wie Lederjacken zu demokratischen Preise.
Die Otto-Group hat erst vor kurzem eine eigene Shopsoftware, das Lhotse Projekt, gelauncht. Fast parallel dazu wurde von Euch ein eigenes Öko System geschaffen. Da kommt man an der Frage nicht herum, wann hier Synergien entstehen und genutzt werden können?
Tarek Müller: Software im E-Commerce sollte maßgeschneidert sein und Lhotse erfüllt die Anforderungen von otto.de perfekt. Unsere Software und Architektur sind für unsere Anforderungen entwickelt, aber Synergien entstehen auf der übergeordneten Ebene schon jetzt. Es besteht ein reger Austausch z.B. über den Einsatz neuer Tools. Das wird in Zukunft noch zunehmen.
Bisher wurden von Collins die Shops Mary & Paul, Sister Surprise, Edited und About You gelauncht. Wird es hier kurzfristig noch weitere Projekte geben?
Tarek Müller: Aktuell sind keine weiteren Shops geplant. Wir können mit unserer Plattform schnell reagieren, wollen derzeit aber konzentriert an den neu gestarteten Shop-Marken arbeiten.
In den bisherigen Meldungen war von einer Umsatzerwartung oder -zielen noch gar nichts zu lesen. Welche Ziele streben Sie hier mit den Shops an, immerhin hat die Otto Group einen dreistelligen Millionenbetrag investiert?
Tarek Müller: Wir haben das Ziel, marktgerecht profitabel zu werden, was heißt, dass wir uns etwa fünf Jahre dafür geben. Bitte haben Sie Verständnis, dass wir über Zahlen so frisch am Markt aktuell noch nicht sprechen wollen.
Im Gespräch mit Olaf Kolbrück haben Sie angedeutet, dass die Offenheit Ihrer Plattform noch viele neue Ideen anziehen wird, die man sich jetzt noch gar nicht vorstellen kann. Meines Wissens setzen mittlerweile auch andere Industrien auf eine ähnlich offene Schnittstelle, wie Sie das tun. Welche Beispiele können Sie hier nennen?
Tarek Müller: Heute denken wir beim Wort „Apps“ noch überwiegend an Mobile Applikationen, die den Erfolg von Smartphones beflügelt haben. Ideen für Killer-Apps wie Angry Birds entstehen nicht in großen Firmen, sondern durch Kreative und Entwickler. Das ist auch nicht planbar.
Apps und offene Schnittstellen gibt es schon in vielen Bereichen, zum Beispiel Spielekonsolen und Filmplattformen wie Netflix. In den nächsten Jahren werden noch andere Märkte wie die Autoindustrie mit Apps arbeiten und auch die Öffnung gegenüber Innovation durch Dritte wird so in der Wirtschaft weiter vorrücken. Wir glauben, dass auch der Konsument künftig beim Wort „Apps“ nicht mehr nur an Mobile Applikationen denken wird, sondern an Erweiterungen bestehender Plattformen jeglicher Art, in allen Bereichen.
Zum Launch Anfang Mai wurden 29 Apps frei geschaltet. Jetzt soll eine Developer Conference und deutschlandweite Hackathons folgen. Wie große ist das Interesse von Seiten der Entwickler? Kann man in der heutigen Zeit eine Community quasi aus dem Boden stampfen?
Tarek Müller: Wenn der Mehrwert für die Community stimmt, ist das möglich. Wir freuen uns gerade über einen enorm großen Zulauf in unserem Developer Center. Das zeigt uns, dass das Interesse definitiv groß ist. Unser Ziel ist es, die Infrastruktur so weiterzuentwickeln, dass Entwickler & Kreative auch in Zukunft mit neuen Ideen perfekt darauf aufsetzen können. Die Herausforderung für uns besteht darin, dass es für unser Modell bisher keine Vorbilder im E-Commerce gibt.
Sehen Sie hier noch ein ausführliches Interview, das bereits im Jahr 2008 aufgezeichnet wurde:
In dem Gespräch mit Prof Günter Faltin sagten Sie, dass Sie die Unternehmensgründung und Firma nie als Arbeit gesehen haben, sondern als Hobby. Wie sehen Sie Ihr Engagement im Projekt Collins heute?
Tarek Müller: Auf das Interview wurde ich lange nicht mehr angesprochen ☺ Das ist jetzt mehr als sechs Jahre her und natürlich ist alles wesentlich professioneller geworden und mein Arbeitsalltag hat sich ziemlich gewandelt. Aber nach wie vor bringt mir die Arbeit sehr viel Spaß und ich bin überzeugt von dem was wir tun.
Sebastian Betz und Sie haben mit 15, bzw. 16 das erste eigene Unternehmen gegründet. Sie sind also Digital Natives und Unternehmer quasi von Kindesbeinen an. Trotz des großen Medienechos habe ich noch kaum etwas von Benjamin Otto gelesen, der ja neben Ihnen Geschäftsführer ist. Welche Rolle spielt er bei Projekt Collins? Wieviel in der Strategie spiegelt ihn wieder?
Tarek Müller: Wir haben gefühlt alle sehr viele Interviews gegeben ☺
Benjamin Otto ist als CEO der Holding für zentrale Abteilungen wie Finance, HR und Corporate Communications verantwortlich. Außerdem für die Weiterentwicklung des Start-ups und die übergreifende Strategie des Geschäftsmodells.
In Ihren Anfangsjahren gab es auch Misserfolge, weil Sie im Handel noch nicht über die notwendigen Erfahrungen verfügten, wohingegen die Internetprojekte gut gelaufen sind. Meines Erachtens zeigt sich hier die immer lauernde Gefahr, den eigenen Fokus auf die Kernkompetenz zu verlieren. Wo sehen Sie den Core Value oder den Fokus von Projekt Collins? Bereitstellung und Entwicklung eines neuen eCommerce Ökosystems oder Aufbau eines zukunftsträchtigen und profitablen Versandhändlers? Oder…
Tarek Müller: Das eine bedingt das andere. Wenn wir es schaffen, ein funktionierendes Öko-System aufzubauen, das den Alltag von Kunden kontinuierlich um neue Nutzwerte und Funktionen bereichert, führt das zu einem profitablen und nachhaltigen Geschäft. Gleichzeitig erlaubt es ein Öko-System neue Dinge auf allen Ebenen zu testen.
Vielen Dank für das freundliche und ausführliche Gespräch.
Vita Tarek Müller
Tarek Müller (25) hat das Projekt Collins bereits in seiner Entstehungsphase begleitet und mitentwickelt. Seit Juni 2013 ist er Teil des Management-Teams bei Collins, einem Start-up und Tochter-Unternehmen der Otto Group, das Online-Shops für die digitale Generation entwickelt. Tarek entwirft seit mehr als zehn Jahren digitale Geschäftsmodelle für den Online-Handel und ist bei Collins verantwortlich für Strategie, Marken- und Organisationsentwicklung.
Tarek ist durch und durch Unternehmer: Mit 13 Jahren gründete er seinen ersten Online-Shop. Später baute er als geschäftsführender Gesellschafter zahlreiche E-Commerce-Modelle in unterschiedlichen Branchen auf. Ab 2007 entwickelte er außerdem Dienstleistungsunternehmen, um Kunden bei der Konzeption und Umsetzung neuer Geschäftsmodelle zu unterstützen. Seine 2003 gegründete Firma NetImpact Framework GmbH entwickelte sich mit mehr als 70 Mitarbeitern zu einer der größeren deutschen Digitalagenturen – zu deren Kunden unter anderem die Otto Group gehörte. Im Juni 2013 übernahm der Konzern das Unternehmen inklusive des gesamten Teams parallel mit der Agentur Creative-Task für das Kernteam des Projekts Collins.
Tarek, gebürtiger Hamburger, ist außerdem Gesellschafter der 2011 gründeten eTribes Framework GmbH sowie als Investor und Business-Angel aktiv. Die von ihm zusammen mit Sebastian Betz ins Leben gerufene Entwickler-Konferenz code.talks in Hamburg zog 2013 rund 1.500 Teilnehmer und 120 nationale und internationale Speaker an.