Auswirkung von Einkaufszentren auf die Innenstädte

von Stefan Hoffmeister
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Seit den 90er Jahren sind in Deutschland großflächig, ausgehend von den überregionalen, bis hin zu den Mittelstädten, immer mehr Einkaufszentren (EKZ) entstanden. Wie hat sich diese Entwicklung auf den Einzelhandel in den Innenstädten ausgewirkt?

In der Vergangenheit haben wir uns bereits mit dem eCommerce Tsunami und seinen Folgen für den Handel beschäftigt. Eine Studie des IFH Köln belegte im Januar, dass die Fahrten in die Innenstädte bereits weniger werden. Der Artikel “Business Insider: Zukunft des Einzelhandels 2014” war einer der am meisten gelesenen Artikel unseres Blogs. Um ein umfassendes Bild der Entwicklung deutscher Innenstädte wiederzugeben hier nun mehr zum Zusammenhang zwischen EKZ und Innenstadt.

Einkaufszentren in den Innenstädten

  • Von den im Jahr 2008 bestehenden 416 Einkaufszentren befinden sich 140 in der Innenstadt.
  • Über 100 davon wurden nach 1990 eröffnet.
  • Nachdem bislang vor allem Großstädte im Fokus der Ansiedlung standen, rollt die Entwicklung inzwischen verstärkt auf Mittelstädte zu.
  • Knapp die Hälfte der 59 zwischen 2009 und 2014 geplanten Objekte findet sich in Mittelzentren.

Gesellschaft des Deutschen Verbandes für Wohnungswesen, Berlin, September 2013.

regensburgEuropäischer Marktführer im Betrieb der Einkaufszentren ist die ECE Projektmanagement G.m.b.H. & Co. KG, mit Sitz in Hamburg. Weltweit werden 189 Shopping Center, mit 6.000.000 Quadratmeter Verkaufsfläche und 21 Milliarden Euro Einzelhandelsumsatz, betreut. Hinzu kommen 4 Bahnhöfe und 2 Hotels (Quelle: ECE, Wir über uns). ECE bietet in seiner von Cellular entwickelten App seit kurzem auch Click & Collect an, um die Vorteile von Online und Offline Shopping zu verknüpfen.

Auswirkungen der EKZ auf die Innenstädte

Christian Huttenloher, vom deutschen Verband für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung, gibt an:

werden die Folgen der Ansiedlungen für die Innenstadtentwicklung noch immer heftig diskutiert. Auch die wissenschaftliche Auseinandersetzung lässt keine klare Linie erkennen. Bisherige Untersuchungen erfolgen aus unterschiedlichen Perspektiven, bedienen sich verschiedener Methoden und kommen daher zu teils kontroversen Ergebnissen. Die widerstreitenden Positionen führen in Diskussionen um neue Ansiedlungsvorhaben zu Verunsicherung sowie zur „emotionalen Verhärtung”

Um dem Thema eine sachliche und wissenschaftliche Grundlage zu geben hat der Verband im September 2013 eine ausführliche Studie veröffentlicht, deren zentrale Ergebnisse ich hier wiedergeben möchte:

Untersucht wurden innerstädtische bzw. am Innenstadtrand gelegene Einkaufszentren

  • über 10.000 m² Mietfläche
  • keine Fachmarktzenten, Galerien/Passagen
  • Lage im Hauptgeschäftszentrum (in / am Rand von 1 A-Lage)

Einzelhandelsbetriebsanzahl

Die Eröffnung von Einkaufszentren führt tendenziell zur Schließung von Geschäften im städtischen Einzelhandel.

DSSW Studie Screenshot Einzelhandelsbetriebsanzahl

Bei allen methodischen Unsicherheiten und teilweise widersprüchlichen Resultaten beobachten die meisten Untersuchungen, dass die Anzahl an Betrieben mit modischem Bedarf in der übrigen Innenstadt tendenziell eher abnehmen.

DSSW Studie Betriebe modischer Bedarf

Die Zahl der Geschäftsschließungen im Bereich Fashion wirkt sich also überproportional im Verhältnis zu anderen Branchen aus.

Veränderung Passantenfrequenzen

DSSW Studie Passantenfrequenz

Die innerstädtischen Passantenfrequenzen sind rückläufig. Dennoch weisen die Mehrzahl der untersuchten Einkaufszentren bemerkenswerte Kopplungsquoten von über 45% sowohl von der Innenstadt ins Einkaufszentrum als auch umgekehrt auf. Weitgehend übereinstimmend lässt sich zudem tendenziell eine Erhöhung der Zentralität erkennen.

Umsatzentwicklung in der Innenstadt

Wer sich noch tiefer mit der Thematik befassen möchte, dem sei ein Forschungsbericht der Obersten Baubehörde im bayerischen Innenministerium (Update 20.05.2018: Quelle nicht mehr vorhanden),  nahe gelegt. Die Untersuchung liegt zwar schon länger zurück, kommt aber zu weitgehend ähnlichen Ergebnissen, wie der DSSW. In Ergänzung zu den oberen Aussagen hier noch Angaben zur Umsatzentwicklung:

In den Städten mit neueren Einkaufszentren waren die Umsätze für rund die Hälfte der Innenstadt-Einzelhändler nach eigenen Angaben in letzten drei Jahren rückläufig. Im Vergleich mit anderen Städten, in denen kein Einkaufszentrum vorhanden ist, sind diese Werte als leicht erhöht zu bewerten. Mit der Ansiedlung des Einkaufszentrums war somit in allen Untersuchungsstädten für einen Teil der Innenstadt-Einzelhändler ein überdurchschnittlicher Umsatzrückgang verbunden.

Auch für die Zukunft erwartet noch nicht einmal die Hälfte der Innenstadthändler in den Untersuchungsstädten steigende Umsätze. (…)

Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass die Innenstadteinzelhändler in Städten mit neuen Einkaufszentren (…) die Umsatzentwicklung für die Einkaufszentren positiver einstufen als für die Innenstädte.

Zusammenfassung:

  • Städte mit Einkaufszentren verzeichnen Schließungen in den Innenstädten.
  • Durch die EKZ wird überproportional der Modehandel in den Innenstädten tangiert. Somit ergänzt er das durch den eCommerce stark betroffene Trio Musik- und Medien, Buchhandel, zunehmend auch Elektronikhandel.
  • Die Passantenfrequenz in den Innenstädten sinkt durch die EKZ. Dieser Trend wird durch den eCommerce noch weiter verstärkt, wie die oben genannte IFH Studie zeigt.
  • Der Umsatz für die Geschäfte außerhalb der Einkaufszentren sinkt und wird auch in Zukunft niedriger erwartet.

Besonderheit der 1a-Lagen

Zur Entwicklung der 1a Flächen schrieb Helge Scheunemann (Update 20.05.2018: Quelle nicht mehr vorhanden), von Jones Lang LaSalle GmbH Hamburg, Ende 2012:

Die Nachfrage nach Ladenflächen in den innerstädtischen 1a-Lagen verzeichnet in den letzten vier Jahren einen stetigen Anstieg. Selbst im laufenden Jahr 2012, das durch Meldungen über die anhaltende Eurokrise immer wieder negative Schlagzeilen macht, zeigen sich viele Filialisten in Expansionslaune. Insbesondere internationale Einzelhändler aus dem Textilbereich, die noch keine Präsenz in Deutschland haben, versuchen verstärkt Fuß zu fassen. Aber auch einige deutsche Textilanbieter, die bisher noch nicht mit eigenen Shops vertreten waren, sind erstmalig auf der Suche nach Flächen. Viele Händler mieten immer größere Flächen speziell in 1a-Lagen an, um ihre ganze Sortimentsbreite und -tiefe präsentieren zu können. An den Spitzenmieten lässt sich der unveränderte Wunsch der Einzelhändler nach prominenter Lage ablesen: Trotz der Wachstumsraten beim E-Commerce sind die Spitzenmieten in strukturstarken Innenstädten seit Jahren gestiegen.

Aber die Anforderungen an ein zu mietendes Ladenlokal was Größe, Ausstattung und Lage angeht, haben sich erhöht: Wird eines der genannten Kriterien nicht erfüllt, kommt der Mietvertrag nicht zustande. Die expansionswilligen Retailer sind nicht mehr bereit Kompromisse einzugehen, sondern erwarten einen maßgeschneiderten Store nach ihren Vorstellungen. Insbesondere Läden in Flagshipstore-Größe stehen im Fokus, erstens um ihre gesamte Angebotspalette, und zweitens um dem immer anspruchvoller werdenden Kunden durch Features wie dem Social Mirror oder dem Virtual Shoe Fitting ein zusätzliches Event-Shopping-Erlebnis bieten zu können.
Auf diese veränderte Situation haben sich die Eigentümer der Liegenschaften bisher noch nicht eingestellt.

Zur aktuellen Immobilien Entwicklung in 2014 Dirk Wichner:

“Der deutsche Markt für Handelsimmobilien profitiert von der weiterhin starken Fokussierung der Einzelhändler auf kaufkraftstarke Standorte. Daran wird sich vorerst nichts ändern und wir beobachten, dass neue und internationale Konzepte weiter auf den deutschen Markt drängen. Allerdings gilt dieser Befund in erster Linie für die Metropolen. In den dortigen Toplagen prognostizieren wir für die zweite Jahreshälfte einen moderaten Anstieg der Spitzenmieten. In der Breite ist dagegen überwiegend eine Stabilisierung auf hohem Niveau zu erwarten.“

Aus Sicht der Immobilien Experten ergibt sich somit folgendes Bild:

  • 1a Lagen sind in den Metropolen nach wie vor gefragt.
  • Regionale und städtische Randlagen stagnieren. So konnte in Dresden nach 2006, erst acht Jahre später, 2014 erstmals wieder einen Anstieg der Spitzenmieten beobachten.
  • Der Kampf entbrennt um die zentralen Lagen.
  • Wachstumstreiber sind internationale Händler und Markenunternehmen, die Flagship Stores errichten wollen.
  • Es entstehen neue Handels Konzepte, wie Event Shopping, Show Rooming oder Virtual Fitting.

Negatives Fazit ist aber, dass sich die Vermieter und Eigentümer der Immobilien überhaupt noch nicht auf die veränderte Situation eingestellt haben.

Letzte Änderungen: 07:34:27 – 2018-05-20

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