Auf die Performance-Marketing-Agenturen kommen massive Veränderungen zu. Julius Ewig, Geschäftsführer der metapeople GmbH in Duisburg, wagt den Blick in die Glaskugel. In der täglichen Arbeit für Kunden wie Deutsche Telekom, Metro, Lufthansa, Deichmann, Ibis Hotels, Europcar, Ulla Popken, DEVK und vielen anderen hat er sieben aktuelle Trends identifiziert.
Trend 1: Programmatic Advertising wird zum Mainstream
Über Programmatic Advertising wird in anderen Märkten bereits seit über vier Jahren diskutiert, in Deutschland erreicht die Echtzeit-Steuerung von Marketing-Maßnahmen mit Hilfe von sich selbst optimierenden Algorithmen aber erst 2016 den Mainstream. Das Targeting auf Basis mathematischer Regeln sorgt für mehr Relevanz und dadurch höhere Gebote. Dabei fließen noch weitere Faktoren wie Erkenntnisse aus der Onsite-Analyse ein. Für den Werbetreibenden bedeutet das, dass sich seine Kampagnen noch intelligenter und effizienter steuern lassen. Die Werbebotschaften erreichen automatisch den Adressaten, für den sie bestimmt sind – ganz ohne Streuverluste. Ähnlich wie heute an der Börse nur noch elektronisch in Echtzeit gehandelt und das Faxgerät dort keine Rolle mehr spielt, ist auch der Trend zum Programmatic Advertising unumkehrbar. Es gibt kein Zurück mehr.
Trend 2: Smart Data ist die Grundlage von allem
Ohne Echtzeitdaten in hoher Qualität geht schon heute kaum noch etwas im Online-Marketing. Aber wie lassen sich aus der exponentiell wachsenden Datenflut sinnvolle Erkenntnisse für das Marketing gewinnen? Wurde in den letzten Jahren vor allem das Schlagwort „Big Data“ bemüht, setzt sich nun zunehmend die Erkenntnis durch, dass es nicht auf die schiere Masse der Informationen ankommt, sondern auf deren Relevanz und die intelligente Auswertung. 2016 wird deshalb das Jahr von „Smart Data“. Exakte Analysen von aufbereiteten und aggregierten Kundendaten werden helfen, zu den Goldadern des Data Driven Advertising vorzustoßen. Eine neue Qualität wird dieses Thema im 1. Quartal 2016 erlangen, wenn die neue Facebook-Suche Search FYI weltweit über 2 Billionen öffentliche Posts zugänglich macht und die User diese neue Funktion auch in Deutschland annehmen.
Trend 3: Transparenz und Datensicherheit als Voraussetzung
Wenn man über Programmatic Advertising und Smart Data spricht, muss man meist schnell die Frage nach Transparenz und Datensicherheit beantworten. Nachdem der Europäische Gerichtshof die EU-Kommissionsentscheidung zu Safe Harbor für ungültig erklärt hat, ist 2016 für viele Unternehmen ein massives Umdenken in punkto Datenschutz angesagt. Alle Datentransfers in die USA, die allein auf das Gelten dieser Regeln gestützt werden, sind nun illegal. Das hat dramatische Folgen für Unternehmen, die Online-Marketing-Tools aus den USA einsetzen oder Cloud-Dienste auf amerikanischen Servern nutzen – insbesondere im Umfeld von Analytics, Kundendaten, E-Mail Marketing oder Marketing Automation. Die amerikanischen Dienstleister und ihre deutschen Kunden müssen nun schnell reagieren und rechtmäßige Alternativen zu Safe Harbor suchen oder man baut sich als deutsches Unternehmen gleich eine eigene Demand Side Platform (DSP) und Data Management Platform (DMP) als Infrastruktur für das datengetriebene Marketing auf.
Trend 4: Tracking-Lücke bei Cross-Device-Strategien
Mobile ist 2016 kein Trendthema mehr, sondern normaler Alltag. Auf vielen Websites kommen inzwischen 70 bis 80 Prozent des Traffic über mobile Endgeräte. Mobil optimierte Internet-Auftritte sind deshalb nicht erst seit den Algorithmus-Änderungen bei Google („Mobilegeddon“) eine zwingende Voraussetzung für eine erfolgreiche Suchmaschinenoptimierung. Aber das ist erst die Spitze des Eisbergs. Laut einer Studie von Cisco soll in den USA bis zum Jahr 2017 jeder User bis zu fünf Internetzugänge über unterschiedliche Devices nutzen. Das bringt bereits 2016 für die Werbetreibenden eine erhebliche Tracking-Lücke mit sich. Die anhaltenden Datenschutz-Debatten über Cookies müssen deshalb 2016 positiv gelöst werden. Denn mögliche Alternativen, wie z.B. Fingerprints oder das geräteübergreifende Nutzer-Tracking mit Hilfe von hochfrequenten Tönen („Sound-Beacons“), sind unter Privacy-Gesichtspunkten deutlich fragwürdiger. Die im Bereich des Cookie-Tracking entwickelten Mechanismen sollten ausreichen, um das Vertrauen der Nutzer zu gewinnen und zu bestätigen.
Trend 5: Native Advertising gegen nervende Werbung
Werbeblocker sind zum Massenphänomen geworden, die Nutzerzahlen von Adblock Plus gehen durch die Decke und nun bietet auch noch der Firefox-Browser den Anwendern mit nur einem Klick ein werbefreies Surferlebnis. Die Reaktion der werbetreibenden Wirtschaft und ihrer Agenturen darauf kann nicht in juristischen Scharmützeln, Beschimpfungen der Kunden oder technischen Kleinkriegen bestehen, sondern nur darin, bessere Werbung zu machen. Neue Werbeformate, die den User weniger stören, werden sich 2016 weiter durchsetzen. Native Advertising – also gekennzeichnete Werbung, die optisch und inhaltlich zu den redaktionellen Inhalten passt – kann die Bindung zur beworbenen Marke, ihr Image und die Kaufabsichten positiv beeinflussen. In Deutschland stehen wir mit dieser neuen, nicht standardisierten Werbeform erst am Anfang. 2016 wird die Akzeptanz von Native Advertising deutlich zunehmen. Allerdings nur, wenn diese Art der Werbung nicht als „Trojanisches Pferd“ daherkommt und versucht, den Verbraucher bewusst zu täuschen.
Trend 6: Hyperpersonalisierung wird Kunden zu teuer

Julius Ewig
Auch über die Personalisierung von Webinhalten und Werbung wird schon seit Jahren gesprochen. Inzwischen sind die Daten, Analysewerkzeuge und geeignete Targeting-Technologien vorhanden, damit sich dieses Thema auf breiter Front durchsetzen kann. Mit Behaviour Analytics lassen sich noch nie dagewesene Einblicke in das Verhalten und die Wünsche der Kunden gewinnen. Doch solche vorhersagende Analysen („Predictive Analytics“), die ohne Zweifel ein wichtiger Trend für 2016 sind, bergen ein entscheidendes Risiko: Die auf dieser Basis ausgespielte Werbung – etwa bei Retargeting-Kampagnen – kann den Adressaten ganz schnell erheblich stören. Ein weiterer Nachteil: Mit superindividualisierten dynamischen Werbemitteln lassen sich kaum Neukunden gewinnen. Und auch bestehende Käufer wollen sich vielleicht lieber von einer kreativen Werbung überraschen und auf neue Shopping-Ideen bringen lassen, als nur ihren vermeintlichen Wunsch von den Augen abgelesen bekommen. Deshalb: Lieber eine gute Geschichte erzählen („Storytelling“) und nicht nur auf die Macht der Zahlen vertrauen.
Trend 7: Internet of Things verändert den Markt komplett
Das Internet of Things (IOT) war schon 2015 ein Trendthema und wird uns sicher noch viele Jahre beschäftigen. Noch ist diese Technologie nicht ausgereift und weit verbreitet. Aber wenn erst einmal das Auto, der Kühlschrank oder die Hausbeleuchtung mit dem Internet verbunden sind, gibt es vielfältige neue Ansätze für das Digital Marketing. Im Jahr 2020 sollen laut Prognosen weltweit mehr als 26 Milliarden vernetzte Dinge unseren Alltag beherrschen und ohne den Umweg über ein von Menschen bedientes Endgerät – z.B. Smartphone, Tablet oder PC – miteinander kommunizieren. Da die Konsumenten dadurch in ständigem Kontakt mit Marken sind und sie in einem natürlichen Umfeld nutzen, erhalten Brands bei einer guten Umsetzung eine enorme Aufwertung. Denn mit den massenhaft gewonnenen Nutzerdaten ist ein besseres Verständnis vom Kunden möglich und der Service lässt sich permanent optimieren. Das Internet of Things hat das Potenzial, klassische Business-Modelle zu zerstören und Märkte komplett zu verändern. Vielleicht nicht schon im Jahr 2016, aber bestimmt mittel- bis langfristig.
Über den Autor:
Julius Ewig ist seit 2008 bei metaapes/ metapeople tätig und verantwortet die Leitung und den Ausbau des International Affiliate-Geschäftes. Seit 2013 ist er als Geschäftsführer der metapeople GmbH u.a. für die Bereiche Affiliate- Marketing, Controlling und Finance, Internationale Entwicklungen und metapeople Schweiz tätig.
1 Kommentar
Spannende Herausforderung! Ich bin gespannt, ob wir im Bereich Native Advertising endlich wirklich praktikable Lösungen erleben werden in 2016. Endlich weg von blinkender Bannerwerbung zu ansprechenden Formaten, ohne dabei Schleichwerbung zu betreiben, das wäre schon was!