Liebe HuffPo Deutschland,
ich schreibe dir heute Abend, weil es so still um dich geworden ist…
Noch vor kurzem warst du in aller Munde – selbst ich sah mich genötigt dich in meinem Wochenrückblick zu erwähnen, weil du in meiner Timeline omnipräsent warst. Ob Blogger, Lobbyist oder Journalist –
jeder hat gesagt was zu erwarten ist.
So mancher hat gezittert
und gleich darüber getwittert.
Sie sahen in dir die Amazone,
Amazon gleich Freund und Feind das Fürchten lehrend.
Doch kaum hast du das Licht der Welt erblickt,
ist es still um dich geworden.
Viele haben deine Geburt zur Kenntnis genommen – abgenickt.
Doch wo ist sie geblieben die Faszination, Inspiration?
Die Gastbeiträge von Ursula von der Leyen, René Obermann und Co. sind mittelschwer verunglückte PR-Schwurbelletten und Texte wie “Die neue Sprache ohne Worte <3 … Die Smiley-Revolution” oder “Wie gut kennen Sie Ihr iPhone?” sind inhaltlich kaum wertvoller als das altbekannte Lorem Ipsum. (Basic Thinking)
Liebe HuffPo – wo ist deine Anmut?
Liebe HuffPo – wärst du ein Kunstwerk, möchte ich von dir angezogen und inspiriert sein. Einem Gemälde gleich möchte ich vor dir stehen und mein Blick soll verharren im Anblick deiner Schönheit. Meine Gedanken sollen ihren Lauf nehmen, angefacht von deiner schöpferischen Kraft.
Designer wünschen sich Schlichtheit, klare Typographie, Fokussierung und Reduktion. Doch was stellst du dar? Welchen Eindruck hinterlässt dein Antlitz?
Ich bin verwirrt.
Ich bin durcheinander.
Ich kann dich nicht greifen.
Erkenne keine Struktur und Ordnung.
Finde mich nicht zurecht, wenn ich dich betrachte.
Die Frage ist nun, ob die Huffington Post Deutschland, die unter dem Dach des Burda-Verlags erscheint und mit Focus Online kooperiert, mit Bedeutung nur schwanger geht oder sie auch irgendwann gebiert. Ob sie Substanz liefert oder nur steile Überschriften und Klickanreize. Ob sie Glaubwürdigkeit, Analysen, neue Stilformen, Experimente, wichtige Recherchen und differenzierte Inhalte verkauft. (ZEIT)
Liebe HuffPo – was willst du mir sagen?
Liebe HuffPo – es hieß, dass du für die Blogospähre Amerikas eine Bereicherung bist. Ein Sprachrohr für viele, kleine engagierte Autoren. Ein Abbild der Meinungsvielfalt.
Es hieß, du stellst eine Gefahr für den bezahlten Journalismus in Deutschland dar.
Manche malten ein schwarzes Bild für die deutsche Medienlandschaft an die Wand – sobald du das Licht der Welt erblickst.
Doch wo ist dein Schrecken geblieben?
Wo ist der Stachel, der mich schmerzen sollte?
Ich sehe dich nicht.
Ich höre dich nicht.
Was ist dein Herz, deine Seele?
Was zeichnet dich aus?
Große Zeitungen titeln heute: “Der Ulli kommt vor Gericht” – “Der IWF will an unser Geld”
Wo sind deine Pointen? Wo sind deine Lacher und Schreier? Wo ist deine Schärfe und Würze?
Es ist so still um dich geworden…
Liebe HuffPo – oh wärst du doch…
Liebe HuffPo – oh wärst du doch kalt oder warm! Wärst du doch nicht lauwarm.
Wärst du doch wie ein Brausen und nicht wie ein Lüftchen.
Wärst du doch wie das Tosen des Meeres und nicht nur ein leises Rascheln.
Bild.de und Gala.de haben also Konkurrenz bekommen. Hässliche Konkurrenz. (taz)
Tobias Gillen ermutigt mich dir noch ein bisschen Zeit zu geben:
Dennoch: Jetzt heißt es erst einmal abwarten. Und schauen, was die Redaktion in den nächsten Tagen so auf die Beine stellt. Herausgeber Cherno Jobatey verspricht uns schließlich eine Bereicherung des “Medien-Regenbogens” mit “mehr Farben”. Geben wir ihm einfach noch ein paar Tage Zeit, zu zeigen, was er damit meint.
Liebe HuffPo – ich lege mich jetzt zur Ruh und gebe dir noch ein paar Tage Zeit…
Alles Liebe,
Stefan
Update 22:12:38 – 2013-11-05
Mittlerweile hat sich auf anderen Kanälen eine ganz interessante Diskussion zum Thema entfacht.
- social-secrets schreibt: Die Willkür der Huffington Post Deutschland – Beitrag von heute
Hier empfehle ich unbedingt auch die Kommentare zu lesen. U.a. hat sich Jochen Mai, von Karrierebibel, zu Wort gemeldet. - Daniel Fürg hat auf seinem Facebook Profil auch einige prominente Blogger direkt angesprochen, wie Mirko Lange, Nico Lumma oder Romy Mlinzk. Vor allem letztere verteidigt die HuffPo und bringt auch konstruktive Vorschläge, wo man zur Optimierung ansetzen könnte. Auch Magdalena Rogl, die für TOMORROW Focus, als Social Media Managerin, arbeitet bietet ihre Hilfe an.
- Auf meinen öffentlichen Post zum Artikel, hat sich bei Google+ Katharina Antonia Heder gemeldet, die über Handball bei der HuffPo schreibt, reagiert.
Man sieht also, dass hier von allen Richtungen doch noch Gesprächsbedarf vorhanden ist. Der z.T. auch berechtigten Kritik aber auch engagierte Verfechter der HuffPo entgegen treten und versuchen das Ganze in eine konstruktive Richtung lenken.
Ich werde das Thema weiter beobachten – vielleicht kommt es ja noch zu einem weiteren Update oder Kommentaren unter diesem Beitrag…
Update 10:10:36 – 2013-11-09
Gestern habe ich folgenden Artikel geschrieben, der hier gut zum Thema passt: erste Zahlen zu Traffic und Reichweite der Huffington Post Deutschland
Letzte Änderung: 09:14:21 – 2018-04-25
2 Kommentare
Ich denke, die Diskussionen haben sich zum größten Teil erledigt, weil die HuffPo mit ihrem eher peinlichen Start sich gleich in die Belanglosigkeit degradiert hat. Klar, es bestehen Chancen auf langfristige Verbesserung, in dem Fall würde ich auch wieder für sie schreiben. Zur Zeit finde ich aber nicht nur den Umgang mit den Bloggern sondern vor allem auch die Inhalte und den Auftritt so unangenehm, dass ich kein Interesse habe. Nach meiner Trommeleinlage dürfte mich allerdings vermutlich auch niemand mehr einladen, für sie zu schreiben. 😉
Falls Du es nicht gelesen haben solltest (die Kommentarliste ist ewig und es sind einige interessante Sachen dabei): http://blickgewinkelt.blogspot.de/2013/10/warum-ich-nicht-mehr-fuer-die-huffington-post-schreibe.html
Grüßle
/inka
“HuffPo” – Ich nehm’ die “Huff” eben so, für was sie gedacht ist – für’n “Po”