Vor ein paar Tagen bin ich über den Blog INJELEA (Link mittlerweile entfernt, April 2018) gestossen. Dort ruft der Autor Frank Hamm dazu auf sich über die Frage von “Freunden” im Web 2.0 Gedanken zu machen.
In den sozialen Medien gibt es zahlreiche Kennzeichnungen für die Beziehungen zu Kontakten. Ständig verschicken Benutzer Kontaktanfragen. Doch nicht jeder sieht in einem “Friend” auch einen Freund.
Im Gegensatz zu meinen üblichen Posts, wo ich zumeist sehr ausführlich recherchiere und Zitate von entsprechenden Experten angebe, möchte ich hier meine ganz persönliche Meinung und mein Verhalten beschreiben. Man möge es mir nachsehen, dass ich von “Freund” schreibe – als Mann habe ich mich für die maskuline Form entschieden, selbstverständlich würde ich das für Frauen genauso annehmen.
Was / Wer ist ein Freund?
Um eine Person als Freund zu bezeichnen muss ich sie kennen. Es ist ein Kennen, das auf Gegenseitigkeit beruht. Das heißt, mein Gegenüber muss mich kennen, wie ich ihn kenne. Dazu ist es notwendig, dass man nicht nur technische, oberflächliche Gespräche führt, sondern, wie man so schön sagt, sein Herz aufschließt. Den Anderen in sein Herz sehen lässt. Ich lasse eine Person in mein Innerstes blicken. Dort bin ich nicht immer stark – dort gibt es auch schwache Momente. Hilflosigkeit. Fragen. Dort trage ich keine Masken. Ich bin ich – ohne Wenn und Aber. Damit ich dieses Vertrauen aufbringen kann, denn nur wenn ich vertraue, kann ich mich verletzlich machen, muss ich das Gefühl haben, dass der Andere mich ernst nimmt, mich respektiert, mich nicht ausnützt. Er sich mir öffnet. Der Andere muss sich im gleichen Maß öffnen, wie ich das tue. Einseitige Beziehungen können meines Erachtens nicht zu Freundschaften werden. Freunde begegnen sich auf Augenhöhe. Natürlich können es Menschen mit unterschiedlichem Temperament sein, mit verschiedenen Berufen, familiärem Hintergrund, anderer Prägung. Doch keiner sollte sich über dem Anderen erheben. In einer Freundschaft hat keiner die Führung. Man geht nebeneinander, sitzt sich gegenüber, schaut gemeinsam nach vorne.
Damit sich eine derartige Beziehung entwickeln kann braucht es Zeit. Man muss sich entdecken. Man muss den Anderen kennen lernen. Stück für Stück wird man tiefer gehen. Von gemeinsamen Interessen oder Hobbies tastet man sich vor. Je nachdem kann man die Verbindlichkeit definieren. Ich kenne eine sogenannte “Zweierschaft”. Dort gehen zwei Menschen einen Bund ein. Etwa sich vorbehaltlos über ein bestimmtes Thema auszutauschen. Absolut und zu 100 % ehrlich zu sein. Nichts zu verheimlichen.
Auch wenn sich Freundschaft grundsätzlich auf gleichem Niveau bewegt, wird sich ihre Stärke zumeist dann zeigen, wenn Einer schwach ist. Er nicht mehr kann. Er statt geben, nehmen muss. Vielleicht eine schwierige Lebenssituation eingetreten ist. Sind dann Freude an seiner Seite? Jemand, der ein offenes Ohr für ihn hat? Ihn aus seiner Lethargie reißt? “Durch dick und dünn” – wie man sagt. Solange es nicht zum Dauerzustand, zur Einseitigkeit wird, sind gegenseitige Hilfe und Unterstützung unabdingbar für Freunde.
Freund sein im Web 2.0
Bewegt man sich im Internet in verschiedenen sozialen Netzen, dann gibt es Follower (Twitter), Fans (Facebook), Kreise (Google+), Kontakte (XING), Freunde (Facebook), Familie (Facebook)… . Wie gehe ich hier mit “Beziehungen” mit Personen, mit denen ich mich vernetze um?
Zunächst ist anzumerken, dass dies sehr vom Netzwerk abhängt, in dem ich mich bewege.
Wie man meinen obigen Ausführungen entnehmen kann, bedarf eine derartige Freundschaft, wie ich sie meine und verstehe Intimität. Einen geschützten Rahmen. Ungestörtheit. Natürlich kann man als starkes “Paar” nach außen treten und Dinge bewegen. Doch das, was andere Menschen sehen werden, als Auswirkung, als Effekt der gewachsenen Beziehung, ist nicht das, was die Freundschaft gebaut hat und sie weiter nährt.
Ich versuche mich an den Rahmen, den das soziale Netzwerk vorgibt anzupassen. Bei XING oder LinkedIn liegt der Fokus auf beruflichen Kontakten. Ich spreche Personen, die ich nicht persönlich kenne mit “Sie” an. Es werden nur berufliche Themen geteilt und besprochen. Privates wird in direkten Nachrichten kommuniziert.
Twitter ist für mich genauso ein öffentlicher, beruflicher Kanal. Die ganze Welt kann lesen, was ich schreibe. Über Wortfilter und Hashtags klinken sich völlig fremde Personen in Gespräche ein, denen ich nicht folge. Ja, ich verwende in sozialen Netzen sogar ein Pseudonym. So kann ich etwa einen offiziellen und einen privaten Account haben – die ich unterschiedlich ausrichte. Auf Pinterest etwa bin ich als Stefan Hoffmeister und als Geistreich78 aktiv. In dem einen Account poste ich über Kleidung, Schuhe, Filme, Kino, Autos – also private Vorlieben und Interessen. Der Andere beschäftigt sich nur mit Themen zu diesem Blog: Social Media, eCommerce, Domain Business.
Während ich bei Google+ hauptsächlich beruflich aktiv bin, gibt es zumindest die Möglichkeit über Kreise nur mit bestimmten Personen zu kommunizieren – Informationen und Inhalte zu teilen. Es wird also persönlicher.
Auf Facebook schließlich nutze ich Listen, wie “enge Freunde”, “Familie”, “Kollegen”, etc. . Hier sind auch meine “echten Freunde”. Menschen, mit denen ich offline, im “echten Leben” in Kontakt bin. Da ist Facebook nur ein Hilfsmittel in Verbindung zu bleiben. Die echte Beziehung findet real statt.
Anonyme Freundschaftsanfragen (bei Facebook), von Menschen, die ich gar nicht kenne lehne ich ab. An dieser Stelle vielleicht eine polarisierende Aussage. Ich brauche nicht eine hohe Zahl an Freunden / Followern, um mich gut zu fühlen. Ja – ich lösche und bereinige regelmäßig meine Accounts. Hier habe ich lieber Qualität, als Quantität.
Zum Schluß
Ja, ich habe über das Internet wertvolle Menschen kennen gelernt. Es hat mir schon geholfen Freunde kennen zu lernen. Doch ab einem bestimmten Punkt kommt immer der Wunsch sich in die Augen zu sehen. Sich real gegenüber zu stehen…
- Welche Erfahrungen habt ihr gemacht?
- Wie geht ihr mit “Freunden” im Netz um?
- Differenziert ihr euer Verhalten nach Plattformen?
3 Kommentare
Hallo Stefan,
vielen Dank für die persönliche Betrachtung. In. meinem Artikel bin ich auf den Aspekt “persönlicher Freund” nicht eingegangen, deswegen freue ich mich sehr darüber – und sehe es auch so.
Ich unterscheide ebenfalls je nach Plattform, wie ich mit dem “Adden”, “Frienden” etc. umgehe.
Ein weiterer Aspekt ist die Frage nach dem “Du oder Sie”. Das habe ich in meinem Kommentar bisher umschifft 😉 In meinem Blog verwende ich in den Artikeln das “Sie”, in den Kommentaren benutze ich dann meistens das “Du” aufgrund des etwas persönlicheren Kontexts. Wie siehst Du das bzw. wie sehen Sie das?
Hallo Frank,
ich differenziere das sogar innerhalb meines Blogs. Bei Social Media Themen, Tutorials, Beiträgen zu Twitter und Facebook verwende ich das “Du”. Meiner Erfahrung nach ist das im Social Media durchaus üblich und hier gelten eher unkomplizierte Umgangsformen. Zudem sprechen diese Artikel auch Privatpersonen an.
Wenn ich über eCommerce und Domain Management schreibe, dann ist das ein klares B2B Publikum, wo ich zumeist “Sie” verwende.
Im Kommentar sehe ich ja, wie ich zuerst angeredet wurde…
Vielen Dank für das positive Feedback!
Über das Thema Du oder Sie wird in Blogs ja schon seit Jahren immer mal wieder diskutiert 🙂 Ich hatte mich irgendwann dazu entschlossen:
– “Sie” in den Artikeln
– Gespiegelte Anrede in Kommentaren (d.h. werde ich geduzt oder mit Vornamen angeredet, duze ich zurück, ansonsten Sieze ich) – also eigentlich genau wie Du
Das war mir dann einfach genug, um mich selbst nicht zu verwirren 🙂